Der Wecker an diesem Morgen klingelt früh, denn die Fähre nach Shipcove wartet nicht auf uns! Unsere sieben Sachen und unsere Vorräte für die nächsten Tage haben wir in unseren Rucksäcke, den Rest lagern wir bis zu unserer Rückkehr im Hostel. Nach dem Frühstück heißt es dann Rolf verabschieden, ihn auf dem Avis Parkplatz abstellen und den Schlüssel in den Briefkasten werfen. Danach schlendern wir die paar hundert Meter zu unserer Fähre
Wir melden uns im kleinen Büro, checken bzw. korrigieren noch einmal das Abholdatum und bekommen unsere Tickets. Wir planen insgesamt vier Tage auf dem Track unterwegs zu sein, die meisten gehen ihn wohl in drei Tagen. Allerdings hätte da schon die erste Etappe für heute ganze 27 km. Klar, wenn man im Sommer die Fähre eine Stunde früher nimmt, den kostenlosen Gepäcktransport per Fähre an den Campingplatz bucht und einige Stunden Tageslicht mehr hat als jetzt im Herbst, ist das sicher machbar, aber Spaß macht das auch mit leichterem Rucksack nicht wirklich.
Sollten wir dennoch schneller oder langsamer sein, reicht ein Anruf und Abholdatum oder -ort wird für uns geändert. Das muss man den Kiwis lassen - was den Kundenservice angeht, ist Neuseeland bisher eine Liga für sich.
Pünktlich um 9 Uhr legt unser kleines Schiff ab, mit uns sind weniger als 20 Leute an Bord und außer einem Mädel mit schwer beladenem Rucksack sind die meisten mit Tagesgepäck unterwegs.
Die Fahrt erinnert mich ein wenig an diejenige über den Titicaca-See zur Isla del Sol in Bolivien. Das Boot hat eine ähnliche Größe, allerdings sind wir schneller unterwegs und der Motor qualmt weniger. Unser Kapitän mit langem weißen Haar erzählt dazu fast die ganze Fahrt über die kleinen Inseln, an denen einige bedrohte Vogelarten ausgesetzt wurden, um sie vor der Ausrottung durch eingeschleppte Tiere wie Opossums zu retten.
Dazu gibt es Infos, was die Häuser in den Buchten so kosten und mit wie viel so kleine "Zusatzkosten" wie eine Hochspannungsleitung zum Haus zu Buche schlagen. Auch sonst hat der Captain und Alleinunterhalter an Bord einige Anekdoten auf Lager. Er dreht auch gerne mal einige Extra-Runden z.B. zu einem kurzen Stopp, als wir die seltenen kleinen blauen Pinguine im Wasser neben uns sehen. Oderzu einer der Lachs-Farmen, um die sich die Seelöwen tummeln und sich in den Schutznetzen lümmeln. Dazu liefert er die passenden Geschichten, dass vor einiger Zeit ein Mitarbeiter mal die Bürotür auf der schwimmenden Plattform offen gelassen habe und eine Robbe die Gelegenheit nutzte, um zu sehen, ob es da hindurch zu den Lachsen geht. Als die Robbe entdeckt wurde, habe sie wohl nicht freiwillig gehen wollen und den "Kampf" gegen die drei Mitarbeiter habe sie auch gewonnen und dabei das Büro ordentlich in Mitleidenschaft gezogen. Die Schifffahrt alleine wäre somit schon eine schöne Tour, ohne das Boot verlassen zu müssen.
Trotz all der Extrarunden erreichen wir schon nach einer guten Stunde und 37 Kilometern unser Ziel und gehen an Land. Nicht, ohne eine Warnung zu erhalten, dass wir uns vor den neugierigen Wekas in Acht nehmen sollen, denn die großen, zutraulichen Vögel sind diebische Gesellen. Angeblich hat einer dieser Vögel vor Kurzem einer Frau die Kamera aus der Hand geschnappt und ist damit auf Nimmerwiedersehen abgehauen.
Mit uns verlassen auch alle Anderen das Boot, um sich in der halbstündigen Pause die Bucht anzusehen, in der James Cook damals ganze drei Mal angelandet ist.
Mittlerweile ist es schon halb 11 Uhr, uns bleiben noch knappe sieben Stunden Tageslicht, das sollte für die Strecke reichen. Direkt hinter der Bucht nehmen wir auch schon das steilste Stück des Trails in Angriff.
Die 200 Höhenmeter durch den dichten Wald sind schnell geschafft, zwischendurch lässt der Wald die Sonne aber nur selten durch.
Aber wir sollten uns nicht beschweren, immerhin scheint die Sonne wenigstens!
Unterwegs überholen wir das Mädel, das mit uns auf der Fähre war und mit Chucks und ihrem völlig überladenen Rucksack kaum vom Fleck kommt. Sie scheint aber zufrieden zu sein, lange sind wir ja auch noch nicht unterwegs.
Um Punkt 12 Uhr klingelt mein Handy - Zeit für die Mittagspause! Als wenn es geplant gewesen wäre, sind wir kurz vor der School House Bay Campsite, zu der wir sogleich abbiegen. Perfekt für die Mittagspause. Hier ist meilenweit keiner zu sehen...
Als wir gekocht und gerade fertig gegessen haben, gesellt sich eine Gruppe Senioren mit Guide zu uns. Wir kommen mit Zweien ins Gespräch, scheinbar sind sie alle aus Australien und laufen ebenfalls den kompletten Track in vier Tagen. Zwar mit Gepäcktransport und Übernachtung in Lodges am Wegesrand - aber mit 70 Jahren schleppen wir sicher auch keine 13 kg schweren Rucksäcke mehr durch die Gegend. Also eigentlich eine gute Option - wir merken uns das mal für später ;)
Während der Guide Wasser kocht und zum Tee die Kekse verteilt, räumen wir das Feld und machen uns wieder auf den Weg. Wieder geht es nach oben, wieder durch dichten Wald. Irgendwie hatten wir uns den populären Track aussichtsreicher vorgestellt. Hätten wir den Track auf der Karte entdeckt und wären einfach mal drauf los gelaufen, wären wir sicher begeistert. Aber vom berühmten QCT hätten wir irgendwie unterwegs mehr Aussicht erwartet (und damit heute auch mehr Sonne). ...
Über einen Pass zwischen zwei Hügeln laufen wir in Richtung Endeavour Inlet. Die Bucht wird uns für den Rest des Tages und morgen Vormittag begleiten, da wir sie einmal komplett umrunden müssen. Der Weg verläuft dabei auf Meereshöhe, aber oft stehen ein paar Baumreihen oder manchmal auch ein paar Häuser oder Lodges im Weg und versperren die Sicht auf die Bucht. Wir trösten uns damit, dass sich die Aussicht auf den nächsten 10 Kilometern nicht wirklich ändert, da wir ja immer "nur" auf die gleiche Bucht schauen.
Das ist jetzt meckern auf sehr hohem Niveau, wie gesagt, wäre der Track nicht so bekannt, wären wir sicherlich vollauf zufrieden. Und wir haben ja erst den ersten von vier Tagen hinter uns, warten wir erst einmal ab, was noch so kommt.
Nachdem wir die Bucht halb umrundet haben, taucht das Miners Camp vor uns auf. Ein privater Campingplatz am Kopf der Bucht und unser heutiges Tagesziel. Der Tacho zeigt 19 km für heute an und es ist schon 17 Uhr, in einer Stunde ist es dunkel. Die Zeit bis dahin sollte zum Zelt aufbauen, duschen und kochen gerade so reichen.
Wir laufen über den ausgestorbenen Campingplatz zum Wohnhaus und überraschen die Besitzer beim Kochen. Das mit dem Zelt hat sich schnell erledigt, wir werden über den Platz geführt und sollen es uns für die Nacht ruhig im Cooking Shelter bequem machen. Außerdem seien wir dort sicher, denn die beiden Besitzer haben heute Abend noch etwas vor:
Wären wir übrigens eine halbe Stunde früher angekommen, hätten wir den Wohnwagen ein Stück weiter bekommen, aber da war ein mountainbikendes Pärchen aus Frankreich schneller.
Zum Glück kommt auch sonst kein Camper mehr vorbei und wir sind zu viert auf dem Campingplatz,...
Wir erstehen noch ein paar Eier von den Haushühnern für unser Frühstück und reden beim Rundgang ein wenig mit dem Besitzer, während seine Frau weiter kocht. Die Opossums machen sich über die Früchte in den Bäumen her, was den beiden nicht allzu sehr gefällt. Eingeschleppt, um sie wegen ihres Fells zu züchten, sind die flauschigen Vierbeiner eine echte Plage, da sie auch Jagd auf kleine Vögel und Vogeleier machen und so manche einzigartige Vogelart an den Rand des Aussterbens gebracht hat. Die Jagd ist daher sogar erwünscht, zudem verwerten die beiden die erlegten Tiere mehr oder weniger komplett, das Fleisch wird gegessen und das Fell verkauft. Schon den ganzen Tag über sind wir an zig, wenn nicht hunderten Opossumfallen mit Giftködern direkt auf dem Trail vorbei gelaufen. Wenn es um eingeschleppte Tierarten geht, hört für die Kiwis der Spaß auf - aber das Schlimmste für sie ist natürlich, dass die Opossums ursprünglich aus Australien kommen!
Nach dem Abendessen und einer warmen Dusche, machen wir es uns auf zwei Stühlen vor den Glastüren in unserer Hütte bequem und betrachten den (fast) Vollmond. Unsere Gastgeber haben sich gegen 19 Uhr angemeldet und wollen vor einem Baum direkt vor uns Stellung beziehen. Als die beiden dann tatsächlich mit Gewehren und Stirn-Flutlichtern durch den Garten schleichen ist es schon 20 Uhr, wir liegen in unseren Schlafsäcken und Pia ist schon eingeschlafen.
Die beiden schleichen einige Stunden durch den ganzen Garten und ab und zu hört man ein leises Zischen der Luftgewehre. Am nächsten Morgen erfahren wir, dass die beiden nur mäßig erfolgreich waren. Es ist wohl relativ schwer die flinken Tiere zu erlegen und diesmal hat es nicht geklappt. Aber es reicht wohl dafür, dass der Garten die nächsten Wochen vorerst verschont wird, bevor sich die nächsten Opossums wieder hierher wagen und das Spiel von vorne losgeht.
Pia hat von der Jagd nichts mitbekommen und durchgeschlafen. Soweit das geht, denn trotz Hütte statt Zelt war die Nacht nicht allzu warm. Nach dem Frühstück vor unseren Panorama-Türen machen wir uns gegen 9 Uhr auf zur nächsten Etappe auf dem QCT. Das heißt für uns zunächst knappe fünf weitere Kilometer am Endeavor Inlet entlang zu laufen, diesmal auf der gegenüber liegenden Seite der Bucht.
Die Aussicht ist ähnlich wie am Vortag, meistens sind wir von Bäumen umgeben und werden von piepsenden Fantails begleitet. Diese kleinen hektischen Vögel fliegen uns in ganz Neuseeland ständig vor den Füßen herum und können kaum länger als eine halbe Sekunde still sitzen. Warum sie das tun? Keine Ahnung, zutraulich sind die Kleinen eigentlich weniger und an unser Essen wagen sie sich auch nicht. Vermutlich wollen sie ihr Revier verteidigen, aber wer weiß.
Ich versuche unterwegs von einem sehr hartnäckigen Exemplar, dass uns sicher einige Hundert Meter begleitet bestimmt eine Viertelstunde lang ein vernünftiges Foto zu schießen. Aber wie gesagt, die Kleinen sind sehr hektisch unterwegs und durch die schattigen Bäume ist es zu dunkel für gute Fotos. Dennoch, darf ich vorstellen:...
Irgendwann staunen wir dann nicht schlecht, als der Trail über ein paar Privatgrundstücke verläuft und auf einmal...
Aber sieht irgendwie schon witzig aus, wie dieser verlorene Herd so auf der Wiese steht - vielleicht ist das hier ja die Alternative zum Grill? Ansonsten verläuft der Weg zunächst wieder zwischen den Bäumen an der Bucht entlang, bevor der Trail ansteigt und weiter oben verläuft.
Auf dem "Pass" auf ca. 200 m Höhe staunen wir nicht schlecht, als wir neben dem Trail auf einmal einen Campervan stehen sehen. Kurz danach sehen wir die zugehörige Schotterpiste , die auf der anderen Seite der Hügel verläuft und über die die Camper hergekommen sind. Wir gehen noch ein Stück weiter bis zum nächsten Tisch, denn mein Handy hat schon längst geklingelt,...
Ab hier verläuft der QCT über weite Strecken über Privatland, das zu den Farmen weiter unten gehört. Für diese Abschnitte haben wir in Picton den Trailpass gekauft. Nicht, dass wir in den Tagen jemanden treffen würde, der sich dafür interessiert.
Ab hier ändert sich auch die Aussicht ein wenig und in den Lücken zwischen den Bäumen...
Bis zu unserem angepeilten Camp für die Nacht sind es noch einige Kilometer und einige Höhenmeter, aber Grund zur Eile haben wir nicht. Im Gegenteil, kurz vor unserem Camp klettern wir noch den sehr steilen Pfad zu einem Aussichtspunkt auf knapp 450 m Höhe hinauf.
Wir halten es nicht allzu lange aus und machen uns auf die letzten 2 km zum Bay of Many Coves Campground, wo der Tacho bei 21 km für heute stehen bleibt. Wir sind alleine auf weiter Flur und suchen uns zwischen den Bäumen einen Platz für unser Zelt. Nachdem das Zelt steht wird schnell mit Wasser aus der Trinkblase geduscht, ein kaltes Vergnügen!
Neben einem Plumpsklo und einem Unterstand zum Kochen gibt es hier nur noch einen Regenwassertank. Ein klassischer Backcountry Zeltplatz eben. Aus dem Wasserhahn kommt ab und zu ein kleiner Wurm, der sich dann in der Tasse windet. Also kochen wir das Wasser lieber ab und in die gefüllten Trinkblasen für morgen kommen Aufbereitungstabletten - ein Premiere für diese Reise.
Aus dem Gästebuch im Hintergrund erfahren wir, dass die beiden mountainbikenden Franzosen die letzte Nacht wohl hier verbracht haben und vor einem verrückten Opossum warnen. Tolle Aussichten, wir werden unser Essen also lieber gut verpacken!
Es kommt wie es kommen musste, wir liegen im Zelt und lesen noch ein wenig, als ich ein leises Kratzen aus meiner Apsis höre. Ich denke mir nicht allzu viel dabei, denn Schritte oder sonst irgendetwas Verdächtiges habe ich nicht gehört. Da die untere Hälfte unseres Innenzeltes undurchsichtig und nur die obere Hälfte durchsichtiger Mückenschutz ist, muss ich mich erst aufsetzen. Als ich dann mit der Lampe kurz aus dem Innenzelt leuchte, sehe ich tatsächlich weiße flauschige Ohren direkt vor meiner Nase im Vorzelt! Ich traue meinen Augen kaum, aber als ich noch einmal genauer hinschauen will, ist das Opossum auch schon geräuschlos wieder verschwunden. Na das kann ja eine heitere Nacht werden...
Überfüssig zu erwähnen, dass die Nacht nicht allzu erholsam war - nicht nur, weil es auch wie vorhergesagt recht kalt war. Bei jedem Geräusch wird man wach und klopft gegen das Vorzelt, auch wenn es eigentlich unnötig ist, denn das Opossum kommt eh nicht an das Essen in unseren Rucksäcken. Ich sorge mich ein wenig um unser Zelt und, ob das Material wohl Opossum-Krallen gewachsen ist, was aber ziemlich unnötig ist, denn ein Geräusch am Zelt an sich höre ich kein einziges Mal.
Lang ist die Nacht für uns aber sowieso nicht, um halb 6 Uhr klingelt der Wecker schon wieder, denn für heute stehen 25 km Strecke auf dem Plan, für die 9 Stunden veranschlagt werden und wir wollen unser Zelt heute Abend wenn möglich noch bei Tageslicht aufbauen.
Um diese Zeit ist es draußen noch stockdunkel und wir ziehen uns im Schein unserer Stirnlampen im Zelt an und stopfen unsere Schlafsäcke in ihre Taschen. Als wir das Zelt verlassen, sind am Himmel die ersten dunkelroten Sonnenstrahlen zu erkennen.
Während das Wasser für den morgendlichen Kaffee kocht und wir unser Müsli essen, beobachten wir den atemberaubenden Sonnenaufgang von unserem Unterstand aus. Nach dem Frühstück ist es dann auch hell genug, um einige Fotos zu machen.
Wir können uns von dem Anblick nur schwer trennen, aber wir müssen los. Pünktlich um halb 8 Uhr machen wir uns auf, zurück auf den Trail und in den Wald hinein.
Heute überrascht uns der Trail, denn nach wenigen Metern weicht der Wald...
So hatte ich mir das vorgestellt! Ein schöner offener Trail mit wunderbaren Ausblicken wohin man schaut.
Damit noch nicht genug, am späten Vormittag taucht ein gern gesehener Begleiter auf.
Wir sind begeistert über diese Wendung, auch wenn wir heute etwas schneller unterwegs sein müssen, um unser Ziel rechtzeitig zu erreichen und nicht ganz so oft einen Foto-Stopp einlegen können, wie wir eigentlich wollten.
Als mein Handy die Mittagspause ankündigt, sind wir gerade über einen matschigen Weg im Wald den Hügel herabgestiegen und erreichen die kleine Straße nach Cowshed Bay. Eigentlich waren bis hierher 5 Stunden angegeben, aber wir sind sogar inklusive unserer kurzen Pausen schon nach 4,5 Stunden da. So können wir uns getrost eine ausgedehnte Mittagspause gönnen...
Wir lassen uns die Sonne auf den Pelz scheinen und freuen uns über die wenigen Neuseeländer, die mit ihren Autos zur Bucht unter uns fahren oder herauf kommen und uns ausnahmslos freundlich lachend zuwinken. Man muss die Kiwis einfach mögen!
Aber jede Mittagspause muss einmal zu Ende gehen, denn ...
Während wir vorhin wieder einmal dunklen, feuchten Wald um uns herum hatten, geht es auf der anderen Seite sehr sonnig und warm bergan. Oben treffen wir auf eine Engländerin und eine Französin, die mit ihrem Camper unterwegs sind und nur bis zum Aussichtpunkt gewandert sind. Wir reden letztlich bestimmt eine halbe Stunde mit den beiden und tauschen Erfahrungen aus. Die beiden waren bereits in Südostasien unterwegs und haben spätestens nach unserem Gespräch auch Südafrika auf dem Plan stehen.
Gut, damit ist unser Zeitvorsprung von heute Vormittag dahin, aber macht nichts, wir haben bereits über die Hälfte des Weges für heute schon hinter uns gebracht und sind sehr zuversichtlich, dass wir mehr als rechtzeitig an unserem Ziel ankommen.
Wir freuen uns über die Sonne und die Aussicht und biegen um halb 4 Uhr schon vom QCT ab, um zum Campingplatz in der Mistletoe Bay abzusteigen. Man könnte an dieser Stelle auch dem QCT noch weiter folgen und dann die Schotterpiste zum Campingplatz entlang gehen, aber auf meiner Karte gibt es einen kleinen Strich, der besagt, dass es hier eine Abkürzung gibt.
...nur ist hier scheinbar schon länger niemand mehr lang gelaufen. Der Weg stürzt sich steil, quasi vollständig über Baumwurzeln ins Tal. Dabei werden wir begleitet vom leisen Brummen der allgegenwärtigen Wespen, die an nahezu jedem Baum knabbern, um ihre Nester zu bauen. Uns lassen sie zum Glück aber in Ruhe. Weiter unten wird es matschig und es liegen einige Bäume quer über den Weg. Mit den großen Rucksäcken ist das Über- bzw. Unterqueren gar nicht so leicht. Es kommt wie es kommen musste und Pia rutscht irgendwann im Matsch aus und erntet einen matschigen Hosenboden. Immerhin sind wir kurz vor unserem Ziel.
Der Campingplatz ist privat verwaltet und wir zahlen im Büro, bevor wir unser Zelt aufbauen. Heute Nacht soll es regnen und wir suchen uns einen Platz an einem Hang weiter oben. Einen wirklich perfekten Platz, der gegen Wind geschützt ist und an dem das Wasser vom nächsten Hang nicht herunter läuft, gibt es leider nicht, wir wählen den Mittelweg.
Nach dem Zeltaufbau steht Duschen auf dem Plan. Leider benötigt man hierfür das passende Kleingeld, wenn man warm duschen möchte, aber das Büro, das uns zugesichert hatte später zu wechseln, ist bereits zu und niemand mehr zu sehen. Ich denke mir, dass später bestimmt wieder jemand da ist, es ist ja noch nicht einmal dunkel und gehe duschen - für einmal warmes Wasser langt es noch. Aber auch danach ist immer noch niemand zu sehen und auch von der Kanu-fahrenden Schulklasse, die auf einer anderen Wiese ihr Lager aufgeschlagen hat, kann uns niemand Geld wechseln. Ich habe jetzt schon ein schlechtes Gewissen, da es scheint, dass Pia kalt duschen muss, aber ein netter Franzose auf dem Platz kann uns zum Glück wechseln!
Und was passiert? Richtig, Pia wirft das Geld in den Zahlautomaten ein und es kommt trotzdem nur kaltes Wasser. Als wäre das nicht genug, geht zwischendrin auch noch das Licht in der zugigen Dusche aus.
Etwas angefressen und ziemlich kalt gesellt sich Pia zu mir in die vollausgestattete Küche, wo sich die überschaubare Anzahl der restlichen Camper nach und nach ihr Abendessen zubereitet. Es kommen sogar immer noch einige Leute an, die sich gerne anmelden würden, wenn nur jemand im Büro wäre.
Trotz warmem Essen und heißem Tee ist Pia immer noch nicht wirklich warm geworden und wir beschließen in unsere Schlafsäcke zu kriechen und im Zelt auf den angekündigten Regen zu warten.
Der Regen kommt früher, als erwartet. Eigentlich sollte es erst nachts gegen 4 Uhr anfangen zu regnen, aber es geht schon am frühen Abend los. Ich habe leider die Befürchtung, dass das Wasser, dass vom Hang herunter läuft irgendwann in unser Zelt will. Als das Wetter nachts dann von leichtem Regen zu Weltuntergang übergeht, dauert es auch nicht lange, bis ich bei einem meiner Checks das Wasser langsam in unser Vorzelt kriechen sehe.
Machen können wir nichts, ins Zelt läuft es zum Glück nicht, aber leider irgendwann darunter hindurch. Folglich drückt sich das Wasser unter unserem Gewicht durch den Zeltboden unter unseren Isomatten und wir wischen regelmäßig die Feuchtigkeit unter uns weg.
Also wieder keine allzu erholsame Nacht, aber es hätte definitiv schlimmer sein können! Nur als morgens gegen 6 Uhr dann auch noch Wind einsetzt und wir einige Male unsere Zeltstangen vorsichtshalber festhalten, beschließen wir früher als geplant unsere Sachen zu packen, anstatt später unser Zelt erneut an den Wind zu verlieren und sprichwörtlich im Regen zu stehen.
Zusammen mit der Schulklasse gibt es Frühstück und als wir gegen 8 Uhr aufbrechen, scheint die Sonne und Wind gibt es auch kaum mehr. Wir waren wohl einfach zu paranoid, um nach ein paar Böen weiter im Zelt zu bleiben und noch zwei Stunden länger zu schlafen. Schließlich waren diesmal die Heringe richtig im Boden und die Abspannleinen sogar noch an zwei zusätzlichen Heringen befestigt. Was soll's, so können wir uns Zeit lassen für die letzten knapp 15 km.
Diesmal nehmen wir die Schotterpiste zurück auf den Hang und biegen in den QCT ein. Der Regen hat auch hier seine Spuren hinterlassen und manche Stellen gleichen eher einem Bach als einem Trail.
Der Weg wechselt ständig zwischen dunklem Wald und Buschland...
Dass es heute regnen sollte, wussten wir allerdings schon vor Abfahrt und immerhin bleiben wir unterwegs trocken!
Von dieser Etappe gibt es kaum Bilder, bis wir um halb 12 Uhr, nach ca. zwei Dritteln der Tagesstrecke, den Campingplatz Davies Bay erreichen.
Wir verteilen schnell unsere nassen Isomatten und das Zelt auf der Wiese in der Sonne zum trocknen und genießen die Wärme. Leider ist das Vergnügen nur von kurzer Dauer, denn der Himmel öffnet wieder seine Schleusen und es regnet in Strömen auf uns herab. Wir legen uns also lieber noch eine Weile auf die Bänke im Trockenen und lesen etwas, bevor wir die letzte Stunde zu unserem Ziel bei Trockenheit angehen.
Um halb drei Uhr erstehen wir am Trailende an einem kleinen Stand einen Kaffee und setzen uns auf eine Bank ans Ufer in die Sonne. Bis unsere Fähre kommt, dauert es noch ein wenig und wir schauen unterdessen einer Truppe Football-Spielern beim "Training" zu. Ziemlich fertig läuft die Gruppe bis zum Ende des Steges, um dann einer nach dem anderen komplett bekleidet mit Schuhen ins Wasser zu springen. Sicher eine nicht allzu warme Angelegenheit, aber allzu schnell kommen sie nicht wieder raus, oder nur, um wieder ins Wasser zu springen. Spaßig zuzusehen und dabei trocken zu bleiben.
Unser Boot legt pünktlich ab und bringt uns zurück nach Picton. Geschichten wie auf der Hinfahrt bekommen wir nicht mehr erzählt, dafür tauchen auf einmal Delfine im Wasser um das Boot auf! Wir sind ziemlich platt und beobachten die Hektor-Delfine bei ihren übermütigen Sprüngen.
In Picton angekommen steuern wir nach einem Stopp am Supermarkt direkt unser Hostel an, holen unsere zurückgelassenen Sachen ab und beziehen dort erneut ein Zimmer. Der Abend wird hauptsächlich zum Wäsche waschen, Sachen sortieren und Buchungen für Fähre, Mietwagen und Unterkunft in Wellington genutzt. Dieses Mal sind wir pünktlich um 20 Uhr für Schokopudding in der Küche - beim letzten Mal gab es zehn Minuten später schon keinen mehr, wobei Pia sich so darauf gefreut hatte...
Es ist schwer ein Fazit von unserer Wanderung auf dem QCT zu ziehen. Zum Einen hat die Jahreszeit, mit den kurzen Tagen und am Ende auch schlechterem Wetter sicher ein wenig den Eindruck geprägt. Dennoch geht der Weg hauptsächlich ohne viele Aussichtspunkte durch den Wald - bei 30°C im Sommer dank viel Schatten sicher ganz angenehm.
Im Endeffekt verstehen wir die große Popularität aber nicht so ganz. Natürlich ist die Infrastruktur gut, die Wege sind meist gut begehbar und die Aussichten, die sich bieten sind wirklich schön. Der Moment, als wir Ausblick bis zur Nordinsel hatten, war schon beeindruckend. Andererseits war z.B. der Weg zur Meg Hut mit seinen Aussichten für uns in seiner Weitläufigkeit beeindruckender. Wenn man seine Priorität aber darauf legt die verschiedenen heimischen Pflanzenarten und jede Menge Vögel zu sehen, ist der QCT empfehlenswert.
Hätten wir den Weg einfach so entdeckt und wäre er nicht als der Queen-Charlotte-Track bekannt, wären wir wahrscheinlich begeisterter. Die Berichte, die wir im Vorfeld gelesen hatten, haben wohl Erwartungen geweckt, die der Weg so nicht ganz erfüllen kann.
Trotzdem waren es schöne Tage und wir sind froh auch bei schlechterem Wetter mehr oder weniger alleine unterwegs gewesen zu sein, anstatt in der Hochsaison in einer Kolonne über den Trail zu stapfen. Dafür nehmen wir die kalten Nächte gerne in Kauf und bereuen unsere Entscheidung keine Sekunde. Alleine die zwei Bootsfahrten mit Pinguinen und Delfinen waren ein Erlebnis für sich. Ein zweites Mal würden wir den Weg aber wohl nicht gehen, dafür bietet Neuseeland zu viele spannende Alternativen, die noch entdeckt werden wollen.
So, genug geschwafelt. Schließlich müssen wir noch unsere Sachen packen, denn morgen geht es wieder auf die Fähre. Diesmal auf die große Interislander, die uns nach Wellington auf die (hoffentlich wärmere) Nordinsel bringen wird.
Es heißt für uns also Abschied von der wunderschönen Südinsel zu nehmen, wir kommen sicher wieder - wenn es etwas wärmer ist.
Wie es auf der Nordinsel für uns weiter geht, lest ihr dann im nächsten Kapitel.